Herkunft & Verdacht, Provenienzforschung am Museum im Kulturspeicher Würzburg. Die Zugangsjahre 1941 bis 1945 (= Katalog zur Ausstellung vom 15.09.2018–24.02.2019, hg. vom Museum im Kulturspeicher Würzburg, Henrike Holsing, Marlene Lauter und Beatrix Piezonka), Würzburg 2018, ISBN 978-3-928155-66-3.

 

Provenienzforschung: Beutekunst und Rückgabe

 

 

„Was ist Provenienzforschung <denn eigentlich>?“, fragt nach einleitenden Grußworten von OB Christian Schuchardt und Museumsdirektorin Marlene Lauter in einem kurzen, einführenden Statement Astrid Pellengahr von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern (S. 9f.) und stellt damit zugleich ein relativ neues Arbeitsgebiet im Museumswesen vor.

Was dem kulturfernen Publikum selbst nach der medial weidlich ausgeschlachteten Causa Gurlitt entgangen sein mag (ebenso wie übrigens der Rechtschreibekorrektur von Word!), dürfte interessierten Kreisen inzwischen hinreichend bekannt sein. In der Folge der Washingtoner Konferenz über Holocaust-Vermögen 1998 wurde schon ein Jahr später in Deutschland eine selbstverpflichtende „gemeinsame Erklärung“ der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände verabschiedet. Sie hat eine Identifizierung, Prüfung und ggf. Rückgabe jener Kulturgüter zum Ziel, die in nationalsozialistischer Zeit „verfolgungsbedingt entzogen“ worden und vorwiegend aus jüdischem Besitz unrechtmäßig in öffentliche Sammlungen gelangt waren. Die nötigen Recherchen oblagen und obliegen dabei dem jeweiligen Träger. Sie werden vor allem durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg unterstützt, koordiniert und haben vielerorts sogar zur Schaffung neuer Stellen geführt.

So auch im „Museum im Kulturspeicher“, das Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts sammelt und die ehemalige „Städtische Sammlung“ beerbte. Diese hatte allein in den Kriegsjahren 1941-45 unter ihrem Gründungsdirektor Heiner Dikreiter nicht weniger als 5.000 Neuzugänge verzeichnen können. Ein Schelm, wer Schlechtes denkt? „Alarmstufe Rot – der Aufbau einer Städtischen Sammlung in der NS-Zeit“, unter diesem Titel resümiert die stellvertretende Museumsleiterin Henrike Holsing die frühe Sammlungsgeschichte (S. 11-22).

Die Provenienzforscherin Beatrix Piezonka berichtet in „Spurensuche – Provenienzforschung in der Praxis“ über ihre kriminalistische Detailarbeit zu den Museumsbeständen im Einzelnen (S. 23-31). Ausgesprochen spannend und kurzweilig fällt die Lektüre des gemeinsam verfassten Rückblicks im Beitrag „Aus Privatbesitz und Kunsthandel…“ aus (S. 35-99), in dem sie anhand von vierzehn Fallbeispielen unterschiedlichster Art – prominente Namen von Kunsthändlern wie Franke, Gurlitt oder Scheidwimmer inbegriffen – einen reich bebilderten Querschnitt der aus meist kargen Inventareinträgen rekonstruierten Ergebnisse zur Herkunft zwischen „unbedenklich“, „ungewiss“ und (eher selten) „stark belastet“ vorstellen und dabei en passant auch den Kunstmarkt dieser Zeit beleuchten.

„Und nun…?“, fragt abschließend Piezonka (S. 101-104) in ihrem Ausblick auf das geplante weitere Vorgehen.

Im Anhang findet sich neben einem Personenregister und einer hilfreichen Auswahl an Literatur zum Thema auch eine Zusammenstellung wichtiger, mittlerweile unverzichtbar gewordener und recht umfassender Online-Datenbanken.

„Herkunft & Verdacht“ – ein lohnender Einstieg in das wohl weiterhin höchst aktuelle Thema Provenienzforschung aus regionalgeschichtlicher Sicht und anhand vieler konkreter Beispiele! Die Ausstellung im Museum im Kulturspeicher ist noch bis Ende Februar 2019 zu sehen.