Der Nordgau als „unterschätzte“ Provinz:

Bele Schneider, Die Grafen von Velburg und ihr verwandtschaftliches Umfeld, Genealogische Recherchen (= Neumarkter Historische Beiträge, hg. vom Historischen Verein für Neumarkt i. d. OPf. und Umgebung, Band 16), Neumarkt i. d. OPf. 2019, ISBN 978-3-9811330-8-0.

 

„Mit Vergangenheit vertraut, der Gegenwart verpflichtet, für Zukunft offen“ – unter diesem Motto steht die Arbeit des Historischen Vereins Neumarkt, dessen neueste Veröffentlichung sich mit der Genealogie eines hochmittelalterlichen Adelsgeschlechts im sog. Nordgau und genauer der Herkunft der Grafen von Velburg beschäftigt. Diese tauchen ab Anfang des 12. Jahrhunderts in den Quellen auf, um schon etwa hundert Jahre später wieder daraus zu „verschwinden“.

Die Velburger Grafen

Akribisch folgt die Verfasserin ihren archivalischen Spuren und legt wo möglich die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den ebenfalls in der Region ansässigen Herren von Kastl-Habsberg, den Abensbergern, den Hohenburgern oder den Sulzbachern offen. Sie geht aber auch den Verbindungen zu den österreichischen Verwandten in Clam, den Vorfahren in Ober- und Niederösterreich, den Herren von Machland und Perg sowie den Peilsteinern und Perneckern nach. Damit liefert sie zugleich einen soliden Überblick über den Forschungsstand und listet im Anhang übersichtlich in Regestenform und chronologisch geordnet die bis dato bekannten Quellen zu einzelnen Familienmitgliedern auf.

Die überregionale Bedeutung des historischen Nordgaues

Was sich zunächst wie eine regional- und lokalgeschichtliche Studie ausnimmt, zeigt anhand der genealogischen Verflechtungen des heimischen Hochadels bis weit in österreichische Lande und ins salische Kaiserhaus sowie die Landes- und Reichspolitik hinein die beeindruckende überregionale Bedeutung des historischen Nordgaus und der heutigen Oberpfalz (wie auch Frankens) und des nördlichen Bayern im Mittelalter – fernab der geliebten Landeshauptstadt und des Münchner „Weißwurstäquators“.

Philologische Quellen und Archäologie

Wieder einmal entpuppen sich also die historischen „Notizen aus der Provinz“ bei genauerem Hinsehen als solche aus lange völlig unterschätzten Macht- und Kulturzentren der Vergangenheit – und das nicht zuletzt dank so bahnbrechender Erkenntnisse wie denen des Mittelalterarchäologen Matthias Hensch zur Burg Sulzbach und der Montanindustrie der Region.

Schön, wenn solch vorbildliche Quellenforschung zum Mittelalter endlich auch durch die Erkenntnisse der Archäologie und eine stärkere Berücksichtigung der reichen, im Gros noch nicht einmal ergrabenen, geschweige denn hinreichend erforschten Bodendenkmäler ergänzt würde – im Sinne einer „ganzheitlichen“ Geschichte eben.