Auf Anregung und mit großzügiger Unterstützung des Vereins Freunde Kloster Hirsau e.V. sind drei neu überarbeitete Aufsätze des Autors hier auf knapp 150 Seiten zu einem Band zusammengefügt und veröffentlicht worden. Den Publikationen zum Klosterjubiläum 1991 konnte so eine fundierte Architekturgeschichte des hochmittelalterlichen Baukomplexes im nördlichen Schwarzwald auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung mit ausführlichem Quellen- und Literaturverzeichnis hinzugefügt werden.

Stefan Wintermantel, St. Aurelius – St. Peter und Paul, Geometrie und Symbolik der beiden romanischen Klosterkirchen in Hirsau (= Kleine Reihe, Archiv der Stadt Calw Band 36), Calw 2019, ISBN 978-3-939148-42-5.

 

Kloster Hirsau

 

Zahlensymbolik und Ikonographie in der Romanischen Architektur. Die Kirchen in Hirsau

 

St. Peter und Paul in Hirsau

In Teil 1 wird die ideale „Himmelsstadt“ des Abtes Wilhelm von Hirsau anhand einer Analyse und zahlensymbolischen Deutung des Grundrisses von St. Peter und Paul rekonstruiert, dieser ehemals monumentalen und heute nur als Ruine überkommenen Klosterkirche. Besonders beeindruckend in ihrer Akribie sind die Anstrengungen zur Entschlüsselung des sog. Werkmaßes und des geometrischen Planungskonzeptes, ganz im Einklang mit der in der biblischen Offenbarung des Johannes geäußerten Verheißung vom „Himmlischen Jerusalem“.

 

St. Aurelius in Hirsau

Gleiches geschieht in Teil 2 mit der zweiten, weniger bekannten der beiden romanischen Kirchen in Hirsau, der älteren und im Kirchenschiff noch erhaltenen, heute wieder liturgisch genutzten Kirche St. Aurelius. Die Ikonographie des Figurenfrieses und der Wandgliederung von Westtürmen und „Eulenturm“ der Peterskirche hingegen steht im Fokus der Untersuchungen in Teil 3, wo die heute rätselhaften Tier- und Menschenfiguren mithilfe der christlich-antiken Quelle des „Physiologus“ symbolisch gedeutet werden.

 

Wilhelm von Hirsau. Abt und Reformer.

Wilhelm von Hirsau, geboren um 1026/30 in Bayern und erzogen im Kloster St. Emmeram in Regensburg, war als Abt des Klosters Hirsau nicht nur Verfasser gelehrter Schriften über Musik und Astronomie oder Bauherr der gesamten Klosteranlage St. Peter und Paul als einer der größten Deutschlands, kurz nach deren Vollendung er 1091 starb. Er war zudem ein überaus einflussreicher Kirchenpolitiker, der 1077 im sog. Investiturstreit und Machtkampf zwischen Papst (Gregor VII.) und Kaiser (Heinrich IV.) auf Seiten Roms stand. Nachhaltige Berühmtheit erlangte er aber vornehmlich als Klosterreformer und „Vater“ der vom burgundischen Kloster Cluny beeinflussten „Hirsauer Reform“.

So wurde Hirsau unter ihm zum hochmittelalterlichen Zentrum der mönchischen Reform in Deutschland. Wilhelm hielt die strikte Neuordnung des Ordenslebens in einer Klosterverfassung genauestens schriftlich fest: wider eine liberale “Aufweichung“ der Disziplin hin zu einer strengeren Einhaltung der benediktinischen Leitgedanken von Armut, unbedingtem Gehorsam und Ehelosigkeit –  dem heute allenthalben viel diskutierten Zölibat.