Nachlese zu einer Erinnerung an den Ersten Weltkrieg, herausgegeben von Guido von Büren, Michael D. Gutbier und Wolfgang Hasberg (= Montanus – Schriftenreihe zur Lokal- und Regionalgeschichte in Leverkusen, Band 19 / Jülicher Forschungen, Band 13)

 

Erinnerung ist eine schwierige Sache. Denn sobald Geschichte festgeschrieben wird, wird auch eine bestimmte Interpretation impliziert. Besonders einschneidende Ereignisse wie der Erste Weltkrieg in Europa hatten und haben für alle Beteiligten sehr unterschiedliche Bedeutungen – dementsprechend unterscheiden sich auch die nationalen Narrative zum Großen Krieg, und im Lauf der Jahre sind zahlreiche Mythen entstanden. Nach mehr als hundert Jahren soll das Buch „Kriegserinnerungen in europäischen Heimaten“ einen differenzierteren Blick aus unterschiedlichen nationalen Perspektiven auf das damalige Geschehen ermöglichen. Der von den Opladener und Jülicher Geschichtsvereinen herausgegebene Band handelt sowohl vom Werden und vom Wachsen als auch vom Wandel von einzelnen, exemplarisch vorgestellten Erinnerungsorten zum Ersten Weltkrieg in Europa.

 

Kriegserinnerungen in europäischen Heimaten

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Kriegserinnerungen entstehen

Der erste Beitrag von Tobias Arand und Christian Brunnenberg stellt das Schlachtfeld von Wörth/Woerth-en-Alsace als Erinnerungsort im Wandel der Zeit vor, Frank Buchholz schreibt anschließend über den Mythos Schlieffenplan, bevor sich Herrmann-Josef Scheidgen mit dem am Kriegsende zwischen Patriotismus und Romtreue hin- und hergerissenen Erzbischof Kardinal von Hartmann beschäftigt. Mit Fakten, Mythen und Legenden rund um die Zweite Polnische Republik von 1918 bis 1939 wartet Wolfgang Templin auf, und Guido von Büren stellt in seinem Artikel Szenen des Künstlers Lucien Jonas aus dem Ersten Weltkrieg und deren Beitrag zum Bildgedächtnis an den Weltkrieg vor.

 

Kriegserinnerungen leben (fort)

Erinnerungsorte zum Ersten Weltkrieg in europäischen Geschichtskulturen sind das Thema von Wolfgang Hasberg, es folgen Beiträge von Georg Mölch, Markus Furrer, Matthias Strohm, Elise Julien und Phillip Pauli aus unterschiedlichen nationalen Perspektiven über Kriegserinnerungen im Rheinland, Mythen rund um das Kriegsende in der Schweiz, die Erinnerungskultur in Großbritannien, die französische Geschichtskultur zum Grande Guerre und die Stadt Prag im Ersten Weltkrieg im Spiegel des Chronisten Max Brod.

Michael D. Gutbier und Wolfgang Hasberg setzen sich auf lokaler Ebene mit dem Fortleben und dem Umgang mit Erinnerungsorten in Leverkusen anhand des aufgrund seiner militaristischen Prägung wiederkehrendem Vandalismus ausgesetzten Rheindorfer Kriegerdenkmals und des Wiesdorfer Kriegsdenkmals „Stahlhelm“ als Beispiel für Verdrängung von Erinnerung auseinander. Wolfgang Hasberg thematisiert die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für die heutige Jugend, stellt dar, inwiefern sich Geschichtsunterricht in unterschiedlichen Orten Europas unterscheidet und gibt Anregungen, wie eine gemeinsame, europäische Geschichte des Krieges für die Jugend gestaltet sein sollte.

 

Kriegserinnerungen spalten und vereinen

 Im letzten Beitrag des Bandes stellt Wolfgang Hasberg geschichtskulturelle Vergleiche zum Ersten Weltkrieg an und sucht nach Möglichkeiten zur Ausbildung einer transnationalen Geschichtskultur.

Die Gedenkjahre 2014 bis 2018 haben in allen europäischen Staaten neue Erinnerungsorte hervorgebracht. Einigkeit herrscht darüber, dass Kriege wie der Erste Weltkrieg sich nicht wiederholen dürfen, und auch in der Absicht, diese historische Einsicht weiterzutragen, dürfte Übereinstimmung bestehen. Dennoch ist der Weg zu einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg noch nicht geebnet. Wie auch, wo doch alle eine ganz unterschiedliche historische Erfahrung in das gemeinsame Erinnern einzubringen haben?

 

Auch wenn es die eine Geschichte des Ersten Weltkriegs wohl nie geben wird, so geben die „Kriegserinnerungen in europäischen Heimaten“ einen wichtigen Anstoß dafür, Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, verschiedene Zugänge zu den damaligen Ereignissen zu bieten, die Augen zu öffnen für die Erinnerungskulturen der anderen Nationen – und auch Lust zu machen, sich tiefer und reflektierter mit diesem wichtigen Teil der europäischen Geschichte auseinanderzusetzen.

 

„Kriegserinnerungen in europäischen Heimaten: Nachlese zu einer Erinnerung an den Ersten Weltkrieg“, herausgegeben von Guido von Büren, Michael D. Gutbier und Wolfgang Hasberg, ist als Band 19 von Montanus – Schriftenreihe zur Lokal- und Regionalgeschichte in Leverkusen und Band 13 der Jülicher Forschungen mit der ISBN 978-3-87707-209-7 als fadengehefteter Festeinband im Verlag PH.C.W. SCHMIDT erschienen. Der Ladenpreis beträgt 19,80 €.